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"Niemand soll mir mein Gefühl verwirren" - das Lebenswerk von Albert Fraenkel

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schwarz-weiß Portait von Albert Fraenkel während seines Medizinstudiums

Sein Lebenswerk, die Strophanthin-Therapie, rettet vielen Menschen das Leben. Er pflegt Bekanntschaften mit berühmten Personen wie Hermann Hesse, Karl Jaspers und Wolfgang Heubner. Doch kaum jemand kennt ihn: Albert Fraenkel.

Am 03.06.1864 wird Albert Fraenkel in Mußbach geboren. Seine Eltern, Jakob Fraenkel (1836–1905), ein Weinhändler, und Emilia geb. Deutsch (1838–1880) sind jüdischer Abstammung.

1883 besteht er das Abitur, um im selben Jahr ein Medizinstudium in München zu beginnen. Weitere Studiensemester verbringt er in Straßburg, wo er 1888 auch sein Staatsexamen absolviert. 1889 promoviert Fraenkel und startet seine Karriere als Volontärarzt in einer Münchener Frauenklinik. Doch diese Profession hält nicht lange, da er ein Jahr später an Tuberkulose erkrankt und zahlreiche Sanatoriumsaufenthalte durchstehen muss. Dies ist ein einschlagendes Ereignis in seinem Leben, denn genau diese Krankheit soll seine Faszination bis zum Ende seines Lebens sein.

Albert Fraenkel während seines Medizinstudiums

Dieser Vorfall ist so traumatisch, dass er nach seiner Genesung 1890 die Gynäkologie-Klinik verlässt, um in Berlin an der Seite von Georg Cornet, einem Mitarbeiter Robert Kochs, an dem Wirkstoff Tuberkulin zu forschen. Leider stellt sich dieser als ein Fehlschlag heraus, und Fraenkel zieht im 1891 nach Badenweiler im Schwarzwald. Dort fängt er an, zuerst über herzwirksame Arzneien zu forschen. Er entdeckt die Verwandtschaft der Digitalis- mit der Strophanthus-Art. Ab da breitet sich ein Weg aus, der hunderten, gar tausenden Menschen helfen wird: Er forscht an der Strophanthus kombé, die er für die intravenöse Herztherapie verwenden wird.

1896 heiratet er Erna Thorade und konvertiert ihretwegen zum Christentum. Nach einem Jahr der Ehe kommt Annemarie, seine Tochter auf die Welt und fünf Jahre danach folgt Liselotte. Auch beruflich bleibt Fraenkel erfolgreich, schließlich veranlasst er, dass die Villa Hedwig in Badenweiler 1903 in ein Sanatorium zur Diätbehandlung internistischer Erkrankungen umgebaut wird. Im selben Jahr eröffnet er zudem die Villa Paul, ein Sanatorium spezifisch für Tuberkulose-Patienten.

Ehrenbürgerurkunde von Badenweiler, die Fraenkel wegen seiner Verdienste verliehen wird

Um 1906 beginnt die Korrespondenz Fraenkels mit der Firma Boehringer in Mannheim. Ebendiese stellt das nötige Strophanthin für seine Forschung her. Genau im gleichen Jahr führt Fraenkel in Straßburg bei Ludolf von Krehl die erste intravenöse Strophanthin-Therapie am Menschen durch. Kurz darauf werden seine Ergebnisse auf dem "23. Kongress für Innere Medizin" in München mit sehr großem Erfolg vorgestellt. 1912 veröffentlichen die "Korrespondenz Blätter" die möglichen Auswirkungen von Strophanthin und wie es eingesetzt werden kann. Im März 1914 erhält Fraenkel den Professoren-Titel.

Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird er als Arzt einberufen, und seine Forschung für die Strophanthin-Therapie muss zunächst zurückstehen. Nach dem Ersten Weltkrieg zieht Fraenkel nach Heidelberg, wo er 1920 die Tuberkulose-Klinik Rohrbach mit errichtet und ebenfalls leitet. Im selben Jahr erhält er die Ehrenbürgerschaft in Badenweiler, wo er lange Zeit gearbeitet hat. Sein größtes Werk neben der Strophanthin-Therapie wird jedoch das Sanatorium Speyererhof sein, welches sich ungewöhnlicherweise in öffentlicher Trägerschaft befindet. Die öffentlichen Kassen bezahlen den Aufenthalt in der Klinik, nur ein geringer Pflegesatz muss privat bezahlt werden. Durch seine immensen Erfolge, die er schon jetzt zu verzeichnen hat, wird er 1928 zum ordentlichen Honorarprofessor mit dem Lehrauftrag in Tuberkulose an der Universität Heidelberg ernannt.

Doch leider findet all dies nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein jähes Ende. Da Fraenkel von Geburt an Jude ist, verliert er jegliche Arbeit und wird sogar von seiner Approbation als Arzt entbunden. 1933 schreibt er an seinen Kollegen Mampele als Reaktion auf die eigene Entlassung: "Mit Rücksicht auf den körperlichen Schaden, den mir die Enttäuschung und Aufregung der letzten Zeit eingetragen haben, hat mir meine Frau das an meine Heidelberger Adresse gerichtete Schreiben der Gesellschafterversammlung, in dem mir meine Entlassung zum 1. Juni mitgeteilt wird, bis vor einigen Tagen vorenthalten." Allerdings findet zu dieser Zeit auch die Korrespondenz mit Albert Schweitzer, in der die diversen Einsatzmöglichkeiten von Strophanthin diskutiert werden, statt. Schweitzer schreibt am Anfang seines Briefes am 07.12.1937: "Wie oft denke ich an Sie als den Vater der Strophanthin-Therapie, dem wir hier so manche schöne Erfolge zu verdanken haben."

Albert Fraenkel, 1930er Jahre

Im Dezember 1938 stirbt Fraenkel. Doch leider - ein Opfer seiner Zeit - darf seine Urne nicht in das zugesprochene und seit mehreren Jahren reservierte Familiengrab beigesetzt werden. "Die dafür verantwortlichen Herren Gente und Dr. Neinhaus (!) von der Stadtverwaltung Heidelberg wiesen zu Beginn des Jahres 1939 der Familie vielmehr eine Separatecke auf dem Friedhof an, wo sich die Gräber der im Gefängnis Verstorbenen befinden. […] Als die NS-Schergen 1945 ihre Position verloren hatten bzw. entmachtet worden waren, konnte die Urne […] ins Familiengrab auf dem Heidelberger Bergfriedhof überführt werden", so Roland Köster, ein Enkel Fraenkels.

Der umfangreiche Nachlass Fraenkels ist dem damaligen Stadtarchiv Mannheim von der Firma Boehringer 1995 übergeben worden. Er umfasst etwa 24 Normalpakete. Hauptbestandteil des Nachlasses ist die Korrespondenz zwischen Fraenkel und der Firma Boehringer sowie Korrespondenz mit Freunden und Familie. Ebenso befinden sich darin wissenschaftliche Publikationen und Manuskripte und eine Bildsammlung.

 

 

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„Unsere Anette“ – Anette Langendorf

„Es ist doch im Deutschen Reich so, dass tatsächlich der Arbeiterschaft gar nicht die Möglichkeit gegeben ist, ihre Kinder zu ernähren, und es ist meines Erachtens ein viel größeres Verbrechen, wenn man Kinder in die Welt setzt, wo man genau weiß, dass man die Kinder überhaupt nicht erziehen und groß bringen kann.“

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